Unsere Unterstützer

 

Ohne diese drei Institutionen wäre das Festival des erzählten Falls nicht möglich. An dieser Stelle möchten wir einen herzlichen Dank aussprechen an die LMU, das Evangelische Bildungswerk und die MVHS für die tatkräftige Unterstützung!

Ludwig-Maximilians-Universität München

Die LMU wurde bereits 1472 in Ingolstadt als erste Universität des Herzogtums Bayern gegründet und bot vier Studiengänge an: Philosophie, Medizin, Jurisprudenz und Theologie. Seit 1826 hat sie ihren Hauptsitz im Herzen Münchens. Mit über 50.000 Studenten zählt sie zu den größten Universitäten Deutschlands. Rund 700 Professoren lehren an 18 Fakultäten. Mit 150 Studiengängen bietet die LMU ein vielfältiges Fächerspektrum. Studierenden des Studiengangs Buchwissenschaft: Verlagspraxis bietet die LMU die Möglichkeit, sich in praxisorientierten Seminaren mit der Münchner Verlagsbranche zu vernetzen und erste praktische Erfahrungen zu sammeln.

MÜNCHNER VOLKSHOCHSCHULE

Die Münchner Volksschule wurde im Jahre 1923 als Zusammenschluss des Volks-Hochschul-Vereins München e. V und des Akademischen Arbeiterkurse e. V gegründet. Heute zählt sie deutschlandweit zu den größten Volkshochschulen und umfasst jährlich tausende von Bildungsveranstaltungen sowie kulturelle Events. Lebensbegleitendes Lernen bestimmt das Leitbild des kommunalen Weiterbildungszentrums. Das Programm- und Kursangebot reicht dabei von sportlichen Aktivitäten bis hin zu Mal-, und Handarbeitskursen, Sprachunterricht oder Excel-Training. Für Schüler, Studenten, Azubis, Berufstätige und Pensionisten hat die MVHS individuelle Bildungsmöglichkeiten geschaffen, welche die Interessen und Fähigkeiten der Teilnehmer fördern und vertiefen.

Evangelisches Bildungswerk München e.V. (EBW)

Das EBW München ist ein gemeinnütziger Verein und Dachverband für die evangelischen Gemeinden und Dienste im Dekanat München, um Bildung für Erwachsene zu fördern und zu unterstützen. Es führt regelmäßig Seminare und Projekte durch, die zugänglich sind für jedermann, ganz unabhängig von der Zugehörigkeit zur Kirche.


Quellen:

Wikipedia

Muenchner Volkshochschule GmbH, Akademie für Erwachsenenbildung

Wikipedia

EBW

Iny Lorentz

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren liegt die heurige Hauptrecherchereise bereits hinter uns (der gesamte Bericht ist hier zu finden). Allerdings mussten wir auch nicht so weit fahren wie in den vergangenen Jahren. Ein paar Reisen stehen zwar noch an, aber die sind von der Zeit her kürzer.
 
Jetzt sind wir erst einmal zu Hause und haben uns wieder in den normalen Schreibrhythmus eingeklinkt. Schließlich schreiben sich die Romane nicht von selbst, und die Unterlagen, die wir bei unserer Recherchereise zusammengetragen haben, müssen sortiert und gelesen werden. Unsere Leser wollen spannende und emotionale Romane lesen und das ist auch unser Ziel.

Hinter Iny Lorentz verbirgt sich das etablierte und äußerst erfolgreiche Autorenehepaar Iny und Elmar. Beide haben schon früh mit dem Schreiben begonnen. Nach Kurzgeschichten und Kinderbüchern erschien 2003 der erste historische Roman „Die Kastratin“. Zudem haben sie viele Titel mit unterschiedlichen Pseudonymen veröffentlich: z.B. als Sandra Melli in „Die Seelendiebin“ oder als Diana Wohlrath in „Der Feuerthron“. Pro Jahr schreiben die beiden Autoren gemeinsam bis zu vier Bücher und bedienen damit die unterschiedlichsten Genres: Historienromane, Thriller, Krimis, Science Fiction, Heimatromane, Jugendbücher und fantastische Literatur. Um sich nicht beeinflussen zu lassen in ihrem eigenen Schreibstil lesen sie keine Werke anderer Autoren, nur historische Fachliteratur. Wenn einer ihrer Romane dann bereit zum Druck im Verlag liegt, haben die beiden Autoren schon erhebliche Recherchearbeit über historische Begebenheiten und an die Orte, in denen die Handlung des Titels spielt, hinter sich.

„Ich wurde in Köln geboren und bin dort zur Schule gegangen. Da ich unbedingt das Abitur auf dem Abendgymnasium nachholen wollte, habe ich Arzthelferin gelernt und danach als Datentypistin gejobbt, um die Abende für die Schule freizuhaben. Als ich das Abitur mit einer guten Note abgeschlossen hatte, wollte ich Medizin studieren und bekam auch sofort einen Studienplatz. Leider musste ich nach drei Semestern mein Studium abbrechen und wurde stattdessen Programmiererin bei einer Kölner Firma. 1980 bin ich nach München umgezogen und habe dort 26 Jahre in einem Versicherungskonzern gearbeitet.
Ich habe schon früh begonnen zu schreiben, aber lange Zeit nur für mich selbst. Erst ein paar Jahre nach dem Abitur fand ich im SF- und Fantasy-Fandom die Gelegenheit, Kurzgeschichten in Fanzeitschriften zu veröffentlichen. Dort habe ich 1978 meinen späteren Ehemann und Co-Autor Elmar getroffen. Anderthalb Jahre waren wir nur Brieffreunde, dann erst haben wir uns persönlich kennengelernt. Wenig später wurde der Herausgeber einer Anthologie des Heyne-Verlags auf meine Beiträge in Fanzines aufmerksam und bot mir die erste Chance zu einer professionellen Veröffentlichung.“

„Ich stamme aus Franken und wuchs in einem kleinen Bauerndorf mit fünf Höfen auf. Meine Religionslehrerin entdeckte schon bald mein Interesse für Literatur und hat es nach Kräften gefördert. Ebenso wie meine spätere Ehefrau Iny begann ich bereits als Schüler zu schreiben. Die erste Möglichkeit zur Veröffentlichung von bot mir die Fanzeitschrift eines SF-Clubs. Weitere Kurzgeschichten folgten im Rahmen der Fan-Magazine eines Fantasy-Clubs, in dem ich Iny 1978 kennenlernte.
1981 zog ich zu Iny nach München und erhielt nach einem kurzen Zwischenspiel bei der Deutschen Bundespost eine Stelle in demselben Versicherungskonzern, in dem sie kurz vorher angestellt worden war, und blieb 25 Jahre dort.
Bei der Buchmesse 1981 in Frankfurt habe ich den zuständigen SF-Lektor des Goldmann-Verlags angesprochen und erhielt zusammen mit Iny die Chance, in verschiedenen Anthologien dieses Verlags zu veröffentlichen.“

Das Festivalteam stellt sich vor

Das Festival des erzählten Falls 2017 wird
organisiert und durchgeführt von

 

Natalie

ist 23 Jahre alt. In ihrer Freizeit und beruflich bastelt sie am liebsten an Websiten herum und übt sich im Schreiben. Außerdem ist sie ein großer Fan von Hörbüchern, Stephen King und Pfefferminzeis.


Danai

ist 25 Jahre alt und liest unglaublich gern klassische Literatur. Krimis haben auch einen besonderen Platz in ihrem Bücherregal – sind aber nur fürs Lesen tagsüber bestimmt. Abends ist eher Zeichnen oder Tanzen angesagt – insgesamt alles, was einen niedrigen Gruselfaktor hat.


Josie

ist 24 Jahre alt und gebürtige Münchnerin. Am liebsten LIEST sie Krimis (sehr gerne die Kriminalfälle vom Eberhofer Franz), da kann sie sich die geschilderten Handlungen selbst vorstellen, was meistens dann nicht so gruselig ist. Krimi-Verfilmungen dürfen, damit sie auch das Wichtigste mitbekommt, nicht zu spannend sein…


Rebecca

kommt aus der Nähe von Heidelberg und hat die schlechte Angewohnheit, den letzten Satz eines Buchs immer zuerst zu lesen. Außerdem kann sie euch den Krimi „Der Gefangene“ von Omar Shahid Hamid wärmstens ans Herz legen, den sie aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt hat. Spannung garantiert!


Claire

ist 27 und lebt in München. Sie fürchtet sich viel zu schnell bei spannenden Krimis in Buchform oder im Fernsehen, zwingt aber schon seit mehr als zwei Jahren erfolgreich ihre Familie und Freunde dazu, spannende Stellen für sie zu lesen/anzuschauen und ihr nachzuerzählen.


Julia

ist 24 und wohnt erst seit kurzem in München. Sie mag skandinavische Krimis (sowohl die Bücher als auch die Verfilmungen) und rätselt sonntags vor dem Fernseher gerne mit, wenn die „Tatort“-Kommissare in ihren Kriminalfällen ermitteln. 


Donatha

ist 25 Jahre alt und zieht schneller um, als ihr gucken könnt. Ihr Leben ähnelt einem Krimi und ist immer spannungsgeladen. Als Leseratte schreckt sie auch vor den grusligsten Szenen nicht zurück. Die Verfilmung kann sie jedoch nicht ohne ihren Teddy gucken.


Laura

mag Geschichten mit Situationskomik genauso wie düstere Fälle mit Gänsehautgarantie. Sie liest gerne Regionalkrimis, um beim Spazieren und Wandern auf altbekannten Wegen (Tat)orte in einem anderen Licht zu sehen. Amüsant wird es, wenn Freunde von Reisen erzählen oder den Dingen, die im Alltag passieren. Mitunter ist da schon der schlichte Einkauf einer Butterbreze ein Ereignis mit unvorhersehbaren Folgen.


Judith

hört am liebsten die Kommissar-Eberhofer-Krimis von Rita Falk. Bei der Auswahl ihrer sonstigen Lektüre verlässt sie sich stets auf die Empfehlungen ihres Opas.

 

 

 



Das Festival des erzählten Falls wurde ins Leben gerufen von Johanna Büchel. Sie ist Dozentin an der LMU und engagierte Festivalplanerin. Bereits im letzten Jahr plante sie mit Studenten der Buchwissenschaften das erste Festival des erzählten Falls. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich für ihr Engagement, ohne welches das Festival gar nicht erst stattfinden könnte!

Johanna Büchel absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester. Ihre leidenschaftliche Liebe zur Literatur ließ sie jedoch bald ein Studium der Komparatistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Augsburg beginnen. Nach dem Studium arbeitete sie als Pressereferentin in der Musikindustrie, bevor sie im Verlagswesen (im Piper-Verlag) landete. Seit einigen Jahren ist sie nebenberuflich als Autorin und Dozentin für Literatur und Philosophie in der KSFH und an der LMU tätig.

Johanna Büchel besitzt eine unstillbare Neugier und die Fähigkeit, sich immer von Neuem für spannende Themen zu begeistern. Ihre Überzeugung: Das schönste im Leben ist es, Geschichten zu erzählen und welche erzählt zu bekommen. Aus dieser Motivation heraus rief sie auch das Festival des erzählten Falls ins Leben!

Su Turhan

Su Turhan – das Interview

Obwohl Su Turhan derzeit zu den meist beschäftigten Autoren gehört, hat er noch die Zeit gefunden, uns ein paar Fragen zu beantworten:

Hier exklusiv für den Erzählten Fall das Interview:

1) Sie haben nach dem Studium zunächst in der Filmbranche gearbeitet. Wann und warum haben Sie beschlossen, Bücher und ganz besonders Krimis zu schreiben?

Ich habe 2012 das Angebot bekommen, einen Roman mit türkischen Elementen zu schreiben. Thriller und Krimi sind einfach mein Genre, da ist möglich, neben Spannung und Unterhaltung, das eine oder andere, was mir am Herzen liegt, unterbringen. Es war Liebe auf den ersten Roman. Anders als beim

Premierenlesung Bierleichen 2014

Drehbuchschreiben, wo andere mitbestimmen, zählt bei meiner schriftstellerischen Arbeit das, was ich dem Leser anbiete.

2) Was machen Sie am liebsten und wie entspannen Sie sich, wenn Sie mal gerade nicht schreiben oder an neuen Filmprojekten arbeiten? 

Wann immer es mir möglich ist, bin ich im Hofgarten, um Boule zu spielen. Mein Handy ist im Prinzip immer an, bis auf die Zeit, wenn ich mich auf eine Partie mit den Eisenkugeln konzentriere. Im Grunde mache ich aber keine echte Trennung zwischen Arbeit und Entspannung. Ich kann mich durchaus beim Schreiben entspannen. Vor allem, wenn es nach einer Nachtschicht ein Bier gibt.

3) Als Münchner mit türkischen Wurzeln leben Sie quasi als ‚Wanderer‘ zwischen den Kulturen. Zur Zeit, so schient es, breitet sich die Angst vor dem Fremden stärker aus als je zuvor und bildet den Boden für Ressentiments. Was würden Sie sich wünschen, bzw. welche Empfehlung würden Sie geben, um dieser Tendenz entgegen zu steuern?

Eine Portion Gelassenheit und gesunden Menschenverstand würde ich mir wünschen. Vieles, was fremd und anders erscheint, ist viel vertrauter, wenn wir bedenken, dass wir alle, egal, wo uns das Schicksal hin verschlagen hat, Menschenkinder sind. Das klingt naiv. Aber daran glaube ich fest.

Su Turhan – Bestsellerautor, Filmemacher und sympatischster türkischer Münchner

Su (Süleyman) Turhan kommt in Istanbul zur Welt und wandert im Alter von zwei Jahren als Kind türkischer Gastarbeiter nach Deutschland ein. Nach dem Abitur in Straubing studiert er Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der LMU München und schließt als Magister Artium ab. Filmkenntnisse parallel zum Studium eignet er sich bei diversen Filmprojekten u.a. als Aufnahmeleiter und Regieassistent an. Der Entschluss reift, ins Autoren- und Regiefach zu wechseln. Er macht als Freier Mitarbeiter bei der TaurusFilm (Kirchgruppe) im Bereich Lektorat und Stoffentwicklung grundlegende Erfahrungen, baut dort die Abteilung „Deutsche Produktion” mit auf und betreut internationale Projekte wie z.B. die dt.-amerik. TV-Koproduktion „Dune” (Pro7). 1998 verwirklicht der filmische Autodidakt seinen ersten Kurzfilm „Der Schlüssel”, u.a. mit Rosel Zech. 2001 gelingt es ihm, Kameramann Michael Ballhaus für den weltweit ersten in HD für die Leinwand produzierten Kurzfilm „Gone Underground” zu gewinnen. Der dialoglose Film wird u.a. mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Silber und dem Friedrich-Wilhelm-Murnau-Kurzfilmpreis ausgezeichnet und auf über 50 Festivals gezeigt, u.a. auf dem Sundance Filmfestival und dem Shorts International Festival New York.

Regiearbeit

Es folgt eine weitere Zusammenarbeit mit Ballhaus für das Kuppelkino der VW Autostadt mit Anja Kling und August Zirner in den Hauptrollen. Neben fiktionalen Regiearbeiten inszeniert Su Turhan Werbungen, Musikvideos, Imagefilme und Dokumentation wie „100 Jahre Mythos Mercedes”, „Troja – die wahre Geschichte“ und „Der Fall Borgia“ für das ZDF und die in über 100 Ländern ausgestrahlte Discovery Channel Produktion „Hightech for Champions“ über die Münchner Allianz Arena. Als Abschluss seiner Kurzfilmreihe kann Turhan ein drittes Mal Michael Ballhaus für sich gewinnen. Es entsteht der im abstrakt-irrealem Ambiente spielende Kurzfilm „Triell” mit Bettina Zimmermann. 2014 verwirklicht er für das Bayerische Fernsehen, verantwortlich als Autor und Regisseur, den Märchenfilm „Die Drei Federn“ nach den Gebrüdern Grimm.

Szenenbild aus ‚Die drei Federn‘

Es folgt ein weiteres Drehbuch nach einer Grimm’schen Vorlage „Jungfrau Maleen“. Turhans Spielfilmdebüt AYLA feiert im Wettbewerb auf dem Filmfestival Max-Ophüls Preis 2010 Uraufführung und nimmt im Wettbewerb der 20. Filmkunstfests in Schwerin und auf dem Internationalen Filmfest Mumbai, Indien teil. Auf Festivals in New York und Siena erhält Turhan jeweils für AYLA den Publikumspreis. Die dramatische Liebesgeschichte läuft in Deutschland, der Türkei und in Israel in den Kinos. Seit 2012 widmet sich Turhan dem literarischen Schreiben. 2013 veröffentlicht er den ersten Roman seiner „Kommissar Pascha“-Reihe, die sich um einem kauzigen bayerisch-türkischen Ermittler dreht.

Su Turhan mit Zeki Demirbilek Darsteller Tim Seyfi

ARD Degeto/BR verfilmen seit 2015 die Fälle um Zeki Demirbilek. Es folgen die Veröffentlichung des Thrillers „Der Schnitzer“ (Filmrechte optioniert), Kurzkrimis und Kurzgeschichten in Anthologien. Su Turhan ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und lebt in München.

Wenn Ihr mehr über Su Turhan erfahren wollt, wenn es Euch z.B. interessiert, wie er überhaupt zum Bücherschreiben gekommen ist, was er macht, wenn er gerade nicht am nächsten Bestseller arbeitet oder was er über die zunehmende Fremdenangst denkt, dann schaut bald wieder rein!

Krimipfarrer Dr. Felix Leibrock

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In dieser Woche erzählt Euch Felix Leibrock, was für Bücher er früher besonders gelobt hat, was er von der Digitalisierung hält, was er sich zu Weihnachten wünscht uvm.

Hier ist das Interview exklusiv für den erzählten Fall:

Welche Bücher haben Dich in Deiner Jugend besonders beeinflusst
Die Bücher des Schneider-Verlags, vor allem Pepperl und Gustl

Welches Buch hat Dich zuletzt besonders gefesselt?
Wolf Biermann: Warte nicht auf bessre Zeiten!
Warum schreibst Du gerade Krimis?
Weil Krimis am stärksten unter die Oberfläche des Menschen gehen.
Und wie passen Krimi und Kirche für Dich zusammen?
Bei beiden geht es um Menschen in existenzieller Bedrohung. Kirche kann außerdem von Krimis lernen, spannend zu sein.
Was machst Du, wenn Du mal gerade nicht schreibst?
Na lesen natürlich, viel, und laufen.
Wie schätzt Du die Veränderungen für die Literatur- und Bildungslandschaft ein, die die Digitalisierung mit sich bringt?
Positiv: Briefeschreiben erlebt seine Renaissance (email), Smartphones, Tablets, e-reader schaffen neue Leseplätze, Bildung findet (hoffentlich) neue Bühnen.
Wenn Du Dir (gerade jetzt) in der Vorweihnachtszeit etwas wünschen dürftest, was wäre das?
Kalorienfreie Weihnachtsplätzchen.

Wie er wurde, was er ist und vor allem, was er sonst noch so macht, könnt Ihr hier nachlesen:

Ich bin 1960 in Neunkirchen/Saar geboren.

 Ich bin Gründungsmitglied der „Hacke“, einem saarländischen Klangjuwel.

 Ich habe Germanistik und Geschichte in Freiburg i.Br., Bern und München studiert.

 Ich war Wissenschaftlicher Angestellter an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Ich war Antiquariatsbuchhändler, bei Hugendubel und selbstständig.

 Ich habe Evangelische Theologie studiert, in Neuendettelsau und Erlangen.

 Ich war Pfarrer in Weimar.

 Ich habe die Pfarrer-Fußballmannschaft „Schwarz-weiß Beffchen“ gegründet.

 Ich war Stadtkulturdirektor in Weimar.

 Ich war Pfarrer in Apolda und viele Jahre Sprecher des „Augenblick mal“ und der „Gedanken zur Nacht“ beim MDR.

 Ich bin Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks München e.V. und gehöre zur Evangelischen Redaktion bei Antenne Bayern.

 Ich schreibe Bücher, Libretti, Zeitungsartikel.

 Ich mag Schafe und Wölfe, Eisenbahnzüge in der Landschaft, Menschen mit Visionen.

 Ich glaube, am Ende wird alles gut.

 Ich bin gerne in Kirchengemeinden, die den Aufbruch suchen.

Ich bin Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.

Ich bin Seelsorger bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei.

Ich bin Teeausfahrer bei einer Münchner Obdachloseninitiative.

 Ich moderiere im Privatfernsehen Leibrocks Bücher-Galaxie im Weltkanal bei Salve.

Ich lebe in München und in Weimar.

Eine klare und treffende Charakteristik über den ‚Krimipfarrer‘ wie sich Felix Leibrock selbst nennt, hat am 15. August 15 Gerhard Fischer in der SZ online verfasst.

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Leibrock arbeitet in der Herzog-Wilhelm-Straße am Sendlinger Tor, er ist Geschäftsführer beim Evangelischen Bildungswerk. Der Pfarrer sitzt in seinem Büro im dritten Stock, er erzählt von seinem Auto, mit dem er zur Arbeit fährt, und davon, dass er lange in Weimar gelebt hat. Am Sendlinger Tor ist die Chance groß, dieses auffällige Auto zu sehen. Es ist ein Wagen mit Werbung, aber es geht nicht um einen Gartencenter oder einen Mäusezirkus. Auf diesem Auto steht: Der Krimipfarrer. Felix Leibrock, ein Pfarrer, der Krimis schreibt, macht hier Werbung in eigener Sache.
860x860„Der Krimipfarrer – das ist die Marke, die ich setzen will“, sagt er. Dann stellt er eine Gegenfrage und hört zu. Es fällt auf, dass dieser Mann aufmerksam und neugierig ist. Er ist sehr präsent – in dem Sinne, dass er nicht mit den Gedanken woanders ist, nicht in der Zukunft oder beim letzten Spiel des FC Bayern, sondern genau hier: in der Gegenwart, in diesem Gespräch, in diesem Zimmer.

Felix Leibrock steht als Pfarrer in guter kriminalistischer Tradition. Im Gegensatz zu seinem literarischen Pendant ‚Pfarrer Braun‘ kriminalisiert er jedoch ausschließlich in der Literatur.

Zwei Kriminalromane sind bisher von ihm erschienen, ein dritter wird im Herbst 2017 beim Verlag DroemerKnaur erscheinen.

In dem ersten Buch mit dem Titel „Todesblau“todesblau geht es um Gemälde, und ganz besonders um eines, das „Blaue Kathedrale“ heißt und von Lyonel Feininger stammen soll. Nota bene: stammen soll. Leibrock hat das erfunden. Aber wer weiß, vielleicht gibt es so ein Bild wirklich. „Feininger ist mit dem Rad in der Gegend um Weimar unterwegs gewesen und hat Kirchen gezeichnet“, sagt Felix Leibrock.

Aber wer ist eigentlich Felix Leibrock?

Vielleicht ist Felix Leibrock ein Getriebener, einer, der aus seinem Leben rauspressen will, was geht. Für sich. Aber auch für andere. Er sagt, dass er mit seinen Büchern Bildung vermitteln wolle. Im Jahr 2000 fing er an, Bücher zu schreiben, es wurden in den folgenden Jahren: religiöse Geschichten zur Nacht, Luther-Romane, ein Libretto für ein Musical, ein autobiografisches Buch über seine Studienzeit und auch schon mal ein Krimi, der bei einem kleinen Verlag erschien. So charakterisiert ihn Gerhard Fischer in der SZ online.

Wenn Ihr mehr über ihn erfahren wollt, dann schaut bald wieder rein – dann wird Felix Leibrock exklusiv für Euch hier auf die Fragen antworten, wie er wurde, was er ist, wie er die Kombination zwischen Pfarrersein und Kriminalliteratur sieht und überhaupt, was er tut, wenn er mal gerade nicht am nächsten Krimi arbeitet.

Jessica Kremser

1976 in Traunstein ge­boren wuchs Jessica Kremser am Chiemsee auf. Nach dem Abitur verbrachte sie ein halbes Jahr in Florenz, bevor sie in München und England englische Literaturwissenschaft, Italienisch und Theaterwissenschaften studierte.
Heute lebt sie in München, wo sie als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften schreibt.

Mit den Geschichten, die ihre Heldin ‚Frau Maier‘ erlebt, reiht sich Jessica Kremser in eine prominente Tradition ein. Ähnlich wie ihr berühmtes Vorbild Miss Marple, löst Frau Meier die unwahrscheinlichsten Fälle.

Drei Romane sind von ihr im Pendragon Verlag bisher erschienen:

  

Frau Maier ist eine besondere Heldin, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie wohltuend normal ist. Sie lebt ihr beschiedenes Leben, hat ein paar Freunde, schlägt sich mit den Themen Alter und Alleinsein herum und ist auch noch eine gute Köchin.

Die Geschichten, die am Chiemsee spielen, machen nicht nur Lust auf mehr, sondern auch auf auf diese schöne Region. Wer Lust hat, ist herzlich eingeladen, hinzufahren und auf den Spuren von Frau Maier die Schauplätze anzuschauen und die wunderbare Natur zu genießen.

Die Geschichten haben also nicht nur viel mit Kriminalfällen zu tun, sondern auch viel mit dem Thema Heimat und der Frage danach, was man braucht, um sich irgendwo so richtig zuhause zu fühlen.


Interview vom Juni 2017

Josie vom Festival-Team: Du hast Deinen ersten Krimi „Frau Maier fischt im Trüben“ Deinen beiden Großmüttern gewidmet – vor allem, weil Dich Frau Maier oft an die beiden erinnert hat. Aber wie ist Frau Maier denn mit all ihren Eigenschaften entstanden? Hast Du Frau Maier bewusst so gestaltet, dass Parallelen zu Deinen Großmüttern zu erkennen sind oder sind Dir diese Parallelen selbst erst später aufgefallen?

Jessica: Tatsächlich war das am Anfang ein sehr unbewusster Prozess. Als mir die Idee zu „Frau Maier“ kam, habe ich aktiv gar nicht an meine beiden Großmütter gedacht. Erst nach und nach, während des Schreibens, fielen mir immer deutlichere Parallelen auf.

Dass ich mir überhaupt eine ältere Dame als Protagonistin ausgesucht habe, liegt bestimmt unter anderem an dem sehr positiven Bild, das ich von meinen beiden Großmüttern habe. Beide hatten Eigenschaften, die ich sehr bewundere. Erst jetzt, aus Erwachsenensicht, verstehe ich, wie schwierig es auch manchmal für beide war, sich ins Frauenbild der damaligen Zeit zu fügen. Sie sind für mich wirklich interessante Frauen – so wie Frau Maier auch.

Und hattest Du – wie es bei einigen Rezensionen angesprochen wird – bei der Figurengestaltung die Figur der Miss Marple im Sinn?

Die Figur der Miss Marple hatte ich bei der Gestaltung des Charakters nicht direkt im Sinn. Allerdings habe ich als Teenager tatsächlich sehr gerne „Miss Marple“ gelesen (genau wie meine Oma übrigens). Das waren die ersten Krimis, die ich in meinem Leben gelesen habe! Insofern hat mich Miss Marple sicherlich trotzdem auch ein bisschen beeinflusst.

Wie kommst Du auf Deine Geschichten? Was inspiriert Dich (ein besonderer Autor, Alltagssituationen, Gespräche, etc.)?

Alltagssituationen und Gespräche inspirieren mich. Ich bin, genau wie Frau Maier, wirklich neugierig. Das geht so weit, dass ich im Zug oder der U-Bahn bei Gesprächen anderer zuhöre und dass es mich interessiert, welches Buch der Mensch im Bus gegenüber liest. Manchmal google ich dann sogar, worum es in dem Buch geht. Ziemlich peinlich eigentlich 🙂 Oft sehe ich irgendwo einen Menschen und denke mir sofort eine Geschichte über ihn aus. Wo kommt er her, wo geht er hin, wieso, weshalb, warum. Wahrscheinlich denke ich mir einfach grundsätzlich gerne Geschichten aus.

Was steht bei Deinen Geschichten zuerst fest: das/die Mordopfer, der/die Täter/in oder bereits das Ermittlungsende?

Genau diese drei Dinge stehen fest: zuerst das Mordopfer, dann der Täter und das Motiv – aber alle drei, bevor es mit dem eigentlichen Schreiben los geht. Allerdings gab es bisher in jedem Band dann noch einige zusätzliche Wendungen oder Geschehnisse, die mir erst im Laufe des Schreibens eingefallen sind.

Bisher sind von Dir nur die Kriminalromane von Frau Maier erschienen. Wirst Du Dich irgendwann mal auch an andere Genres heranwagen oder hast Du mit dem Krimi genau das Richtige für Dich gefunden?

Krimis machen großen Spaß, aber ich habe auch schon Geschichten für Kinder geschrieben, für das Betthupferl im Bayerischen Rundfunk. Das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Und im Moment habe ich eine Idee zu einem Roman, der kein Krimi ist – allerdings noch keine Zeit für die Umsetzung.

Kommen wir nun genauer auf Deinen ersten Kriminalroman von Frau Maier zu sprechen. Frau Maier wird im gesamten ersten Fall nicht bei ihrem Vornamen genannt. Hat Frau Maier denn keinen Vornamen? Wenn doch, warum lässt Du den Leser darüber im Dunkeln?

Zu Beginn des ersten Bandes, wenn der Leser Frau Maier kennen lernt, ist sie eine Person, die sich stark isoliert hat. Es gibt in ihrem Leben fast niemanden, den sie näher an sich heran lässt, kaum Kontakte, keine engen Freunde. Und es gibt somit auch niemanden, der sie beim Vornamen nennt. Ich wollte, dass es eine gewisse Distanz von Frau Maier auch dem Leser gegenüber gibt. Erst nach und nach öffnet sie sich ein wenig – das ist eine Entwicklung die sich durch alle Bände hindurch zieht. Ob sie sich allerdings so weit öffnen wird, dass sie ihren Vornamen verrät? Wir werden sehen…

Du hast Frau Maier mit ein paar markanten Charaktereigenschaften ausgestattet. Beispielsweise beruhigt sie das Blättern in Kochbüchern. Ist das bei Dir auch so? Oder machst Du etwas anderes, um zur Ruhe zu kommen?

Also generell hat Frau Maier viel mehr die Ruhe weg als ich. Die Situationen, in denen sie in Kochbüchern blättert, sind schon wirklich aufregend – etwa, wenn sie gerade eine Leiche findet oder ähnliches. In so einer Situation müsste ich schon Valium einwerfen! Ich bin eher ein Mensch, der oft unter Strom steht, und dem es schwer fällt, zur Ruhe zu kommen. Möglichst wenig intellektuelle Fernsehsendungen helfen bei mir. Badewanne. Nudelsuppe. Ein Glas Wein.

Wie würden Dich enge Freunde beschreiben? Bist Du auch so neugierig wie Deine Krimiprotagonistin?

Wie schon oben beschrieben, bin ich sehr neugierig. Und ich esse gerne. Und ich liebe den See. Frau Maier ist aber viel, viel mutiger als ich. Mit mir als Protagonistin gäbe es keine einzige der Krimihandlungen, weil ich mir sofort in die Hose machen würde und mich im Haus einsperren und unter der Bettdecke verkriechen würde. Keinesfalls würde ich dann, so wie sie, auch noch im Dunkeln nach draußen gehen. Aber so funktionieren Krimis nun mal. Man denkt sich ja immer: „Nein, geh‘ jetzt bloß nicht alleine in den Keller!“ – und der Protagonist tut es eben doch…

Und sammelst Du auch etwas, so wie Frau Maier Todesanzeigen?

Als Kind und Teenager habe ich auch einige Dinge gesammelt: Figuren von Nilpferden, Bücher über Hexen und etwas später diese Miniatur-Parfumflaschen. Heute versuche ich eigentlich ständig, nicht allzu viele Dinge anzuhäufen, sondern regelmäßig auszusortieren und das Chaos in der Wohnung einzudämmen.

Frau Maier liebt Elvis und seine Musik. An einer Stelle steht sogar geschrieben, dass Elvis die größte Liebe im Leben von Frau Maier ist. Welche Musik hörst Du (derzeit) gerne? Hast Du ein Musikidol, oder wechselt Dein Musikgeschmack von Zeit zu Zeit?

Frau Maiers Liebe zu Elvis ist eigentlich eine kleine Hommage an meine Eltern bzw. meine Kindheit. Meine Eltern waren Fans von Elvis und ich fand ihn auch toll. Ich durfte als Kind nicht viel fernsehen, aber Filme mit Elvis oder Konzerte habe ich geschaut. Und es hat mich fasziniert, dass meine Eltern auch auf einem Konzert von Elvis in Las Vegas waren, und was sie davon erzählt haben.

In meiner Jugend war ich natürlich, typisch 90er, ein Grunge- und Metal-Fan. Nach dem Abitur bin ich nach Florenz gegangen, um Italienisch zu lernen, und habe dann eine Weile fast ausschließlich italienische Musik gehört. Ich war wahrscheinlich einfach stolz, dass ich endlich alle italienischen Texte mitsingen konnte.

Inzwischen höre ich sehr selten Musik, sondern bin immer froh, wenn um mich herum mal Stille herrscht 🙂 Nur im Auto höre ich Radio.

Bisher hat Frau Maier in drei Fällen erfolgreich ermittelt. Dürfen die Leser noch mehrere Fälle von ihr erwarten?

Ja, nächstes Frühjahr erscheint der vierte Band. Ich hatte von Anfang an die Idee, vier Fälle mit Frau Maier zu schreiben, und jeder Band spielt in einer anderen Jahreszeit. Denn für mich ist der See, den ja auch Frau Maier so liebt, zu jeder Jahreszeit anders, aber immer schön. Und ich wollte die Gelegenheit haben, den See und die Umgebung zu jeder Jahreszeit zu beschreiben.

Warum sind Deine Krimis in Wochentage eingeteilt?

Ich wollte dem Leser das Gefühl vermitteln, dass etwas Außergewöhnliches in Frau Maiers ganz normalen Alltag einbricht. Und das ganz plötzlich, nämlich als sie die Leiche findet. Ihr Leben ist davor relativ ereignisarm. Danach geht natürlich der ganz normale Ablauf, Wochentag für Wochentag, weiter. Aber das Leben ist trotzdem ganz anders. Der Leser hat Tag für Tag an diesem neuen Leben teil.

Außerdem wollte ich, dass sich die Handlung und damit die Lösung des Falles innerhalb eines relativ engen Zeitrahmens abspielt. Die Handlung erstreckt sich in jedem Band über etwa zwei Wochen im Leben von Frau Maier.

und das war das Festival des erzählten Falls 2016

... und das war das Festival 2016

Am 19.6.2016 um 11.00 Uhr startete im Gasteig das erste Festival des erzählten Falls in München im Gasteig. Bei Zuschauern, Freunden, Fans, Experten und Fallerzählern drehte sich der ganze Tag nur um ein einziges Thema:

Den erzählten Fall

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Als Experten kamen zusammen (hier von Links nach rechts): Charly Weller, Janet Clark, RA Niklas Pastille, Su Turhan, Ina Jung und Friedrich Ani. Dabei konnten wir u.a. erfahren,

– dass Friedrich Ani schon mal das Ende eines Krimis zuerst liest, um sich dann entspannt der weiteren Lektüre widmen zu können

– dass Janet Clark sich sehr engagiert für die Förderung von Frauenkirminalliteratur einsetzt

– wie Ina Jung sich mit leidenschaftlichem Engagement dem Fall Peggy widmete und tatsächlich eine Revision des Verfahrens erwirken konnte

– dass Niklas Pastille sie deshalb für eine Heldin hält und sich gern bereiterklärt den Autoren künftig gern mit juristischem Rat zur Seite zu stehen

– dass Su Turhans Kommissar Zeki Demirbilek bald auf der Leinwand zu sehen sein wird

– das Charly Weller sich intensiv mit dem Fall des Katzenkönigs beschäftigt.

Nach einer spritzigen humorvollen Diskussion trafen sich am Nachmittag neun Fallerzähler, und erzählten ihre Fälle im Wettkampf um den Titel ‚Bester Fallerzähler des Jahres 2016‘.

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(Hier von links nach rechts: Johannes Stark, Erika Schalper, Dagmar Schmidbauer, Dr. Klaus Hübner)

Wir hörten:

– von Johannes Stark eine packende  eindringliche Darstellung    eines Flüchtlingsschicksals verbunden mit der Frage: Was ist Heimat?

– von Erika Schalper die Verlesung eines Testamentes, in dem sie auf satirische Weise Themen der aktuellen Tagespolitik auf die Schippe nahm

– von Dagmar Schmidbauer einiges über das Schicksal einer Kommissarin angesichts der Hochwasserflut in Passau

– von Dr. Klaus Hübner eine brillante Satire über eine Kneipenszene in München, die bei allen, die gern mal in g’standenen Münchern Kneipen ein Bier trinken gehen, einen Wiedererkennungseffekt hervorrufen dürfte.

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(von links nach rechts: Pierre Jarawan, Martin Trappen, Iris Leister)

– von Pierre Jarawan eine bewegende Darstellung über Humor im Libanon angesichts tagtäglicher Bedrohung durch Krieg und Tod. Zitat: „Phantasie hilft Menschen über das hinweg, was sie nicht sind, Humor über das, was sie sind“

– von Martin Trappen einen packenden Einblick in ein noch unveröffentlichtes Manuskript, in dem sich prägnante Dialoge mit messerscharfen Innenansichten des Protagonisten abwechelten. (Lieber Martin, wir wollen bald mehr von Dir lesen!)

– von Iris Leister die beklemmende Schilderung eines ‚echten‘ Falles, anhand dessen sie die Spirale sich steigernder Hilflosigkeit angesichts der Bosheit übelwollender Nachbarn greifbar machte.

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(Harry Kämmerer, Ruth M. Fuchs)

– von Harry Kämmerer, gemeinsam mit seinem Begleiter eine glänzende funkelnde Dialogsatire über den Alptraum zweier Eventveranstalter zum Besten gab, die niemand vergessen wird, der sie gehört hat

– und zu guter letzt von Ruth M. Fuchs eine Geschichte des Meisterdetektivs Erkül Bwaroo, ein Must Have für alle Agatha Christie Fans mit dem Zeug zum Kult

Der Überraschungsfall

Alle warteten nun gespannt auf die Verkündung des Urteils durch die Jury – aber noch war es noch nicht soweit, den erst gab es noch eine Überraschungsfall. Wie allseits bekannt ist, ist die gesamte Welt der großen Bühnen voller (Kriminal-) Fälle, so auch die Welt des Tanzes. Und aus dieser Welt kam unser Überraschungsfall:

Kennt Ihr das Ballett Schwanensee? Wenn nicht, dann ist Euch bisher einer der dramatischsten Fälle überhaupt entgangen: Prinz Siegfrid, gerade mal 21 geworden, sollte auf Wunsch seiner Mutter heiraten. Dass es nicht gutgehen kann, wenn Mütter von ihren Söhnen so etwas verlangen, kann sich jeder ausmalen. Siegfrid verliebt sich prompt in die entführte und in einen Schwan verzauberte Prinzessin Odile. Weder der Entführer noch die Eltern des Prinzen sind begeistert von seiner Wahl und so führt der Entführer dem Prinzen eine falsche Prinzessin vor, den schwarzen Schwan Odette der den Prinz durch seinen Tanz so bezaubert, dass er Odile vergisst und die Verwechslung nicht bemerkt. Das Ende dieser Geschichte voller Lug und Trug ist – wie kann es anders sein – tragisch: Odile muss verzaubert bleiben, der Prinz allein und alle sind unglücklich.

Anläßlich unserer Festivals hat Esther Sebestyen exklusiv für das ‚Festival des erzählten Falls‘ den Tanz des schwarzen Schwans neu choreographiert und wir alle waren nach der Darbietung mindestens genauso verzaubert wie es der Prinz gewesen sein muss.

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Hier die Tänzerinnen Selma und Kira in einer Choreographie von Esther Sebestyen.

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Die Preisverleihung

Eigentlich hätten alle einen Preis verdient. Doch nachdem das leider nicht möglich ist, fiel die Entscheidung:(um die die Jury wirklich gerungen hat)

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Der Hauptpreis ging an Pierre Jarawan, der ab sofort den Titel: Bester Fallerzähler 2016 führen darf

Der Publikumspreis ging an zwei Erzähler, die sich mit Stimmengleichstand auf den zweiten Platz ‚erzählten‘: Harry Kämmerer und Johannes Stark.

Das Festivalteam bedankt sich an dieser Stelle bei allen, die so engagiert mitgemacht und das ‚Festival des erzählten Falls 2016‘ zu einem vollen Erfolg gemacht haben.

Ihr wart alle großartig und wir hoffen dass wir Euch bald wiedersehen und mehr von Euch hören, sehen und lesen können!

Und wenn Ihr nicht dabei sein konntet, dann blast keine Trübsal sondern kommt einfach zum nächsten

Festival des erzählten Falls 2017

wann:    Sonntag 2. Juli 2016, ab 17.00 Uhr

wo:         Gasteig, Rosenheimerstr. 5

November – Der Mörder

Arthur Schnitzler Der Mörder

Ein junger Mann, Doktor beider Rechte, ohne seinen Beruf auszuüben, elternlos, in behaglichen Umständen lebend, als liebenswürdiger Gesellschafter wohl gelitten, stand nun seit mehr als einem Jahre in Beziehungen zu einem Mädchen geringerer Abkunft, das, ohne Verwandtschaft gleich ihm, keinerlei Rücksichten auf die Meinung der Welt zu nehmen genötigt war. 1-dame-im-gelben-kleidGleich zu Beginn der Bekanntschaft, weniger aus Güte oder Leidenschaft als aus dem Bedürfnis, sich seines neuen Glückes auf möglichst ungestörte Weise zu erfreuen, hatte Alfred die Geliebte veranlaßt, ihre Stellung als Korrespondentin in einem ansehnlichen Wiener Warenhause aufzugeben. Doch nachdem er sich längere Zeit hindurch, von ihrer dankbaren Zärtlichkeit umschmeichelt, im bequemsten Genusse gemeinsamer Freiheit wohler befunden hatte als in irgendeinem früheren Verhältnis, begann er nun allmählich jene ihm wohlbekannte verheißungsvolle Unruhe zu verspüren, wie sie ihm sonst das nahe Ende einer Liebesbeziehung anzukündigen pflegt, ein Ende, das nur in diesem Falle vorläufig nicht abzusehen schien. Schon sah er sich im Geiste als Schicksalsgenossen eines Jugendfreundes, der, vor Jahren in eine Verbindung ähnlicher Art verstrickt, nun als verdrossener Familienvater ein zurückgezogenes und beschränktes Leben zu führen gezwungen war; und manche Stunden, die ihm ohne Ahnungen solcher Art an der Seite eines anmutigen und sanften Wesens, wie Elise es war, das reinste Vergnügen hätten gewähren müssen, begannen ihm Langeweile und Pein zu bereiten. Wohl war ihm die Fähigkeit und, was er sich noch höher anrechnen mochte, die Rücksicht eigen, Elise von solchen Stimmungen nichts merken zu lassen, immerhin aber hatten sie die Wirkung, ihn wieder öfter die Geselligkeit jener gutbürgerlichen Kreise aufsuchen zu lassen, denen er im Laufe des letzten Jahres sich beinahe völlig entfremdet hatte. Und als ihm bei Gelegenheit einer Tanzunterhaltung eine vielumworbene junge Dame, die Tochter eines begüterten Fabrikbesitzers, mit auffallender Freundlichkeit entgegenkam, und er so plötzlich die leichte Möglichkeit einer Verbindung vor sich sah, die seiner Stellung und seinem Vermögen angemessen war, begann er jene andere, die wie ein heiter zwangloses Abenteuer angefangen, als lästige Fessel zu empfinden, die ein junger Mann von seinen Vorzügen unbedenklich abschütteln dürfte. Doch die lächelnde Ruhe, mit der Elise ihn immer wieder empfing, ihre sich stets gleichbleibende Hingabe in den spärlicher werdenden Stunden des Zusammenseins, die ahnungslose Sicherheit, mit der sie ihn aus ihren Armen in eine ihr unbekannte Welt entließ, all dies drängte ihm nicht nur jedesmal das Abschiedswort von den Lippen, zu dem er sich vorher stets fest entschlossen glaubte, sondern erfüllte ihn mit einer Art von quälendem Mitleid, dessen kaum bewußte Äußerungen einer so herzlich vertrauenden Frau wie Elise nur als neue und innigere Zeichen seiner Neigung erscheinen mußten. Und so kam es dahin, daß Elise sich niemals heißer von ihm angebetet glaubte, als wenn er von einer neuen Begegnung mit Adele, wenn er durchbebt von der Erinnerung süßfragender Blicke, verheißender Händedrücke und zuletzt im Rausch der ersten heimlichen Brautküsse in jenes stille, ihm allein und seiner treulosen Liebe geweihte Heim zurückgekehrt war; und statt mit dem Lebewohl, das er sich noch auf der Schwelle vorgenommen, verließ Alfred die Geliebte allmorgendlich mit erneuten Schwüren ewigen Angehörens.

So liefen die Tage durch beide Abenteuer hin; endlich blieb nur mehr zu entscheiden, welcher Abend für die unvermeidlich gewordene Aussprache mit Elisen besser gewählt wäre, der vor oder der nach der Verlobung mit Adelen; und an dem ersten dieser beiden Abende, da ja doch noch eine Frist vor ihm lag, erschien Alfred in einer durch die Gewohnheit seines Doppelspiels fast beruhigten Seelenverfassung bei der Geliebten.

Er fand sie blaß, wie er sie vorher niemals gesehen, in der Ecke des Diwans lehnen; auch erhob sie sich nicht wie sonst bei seinem Eintritt, um ihm Stirn und Mund zum Willkommskuß zu bieten, sondern zeigte ein müdes, etwas gezwungenes Lächeln, so daß zugleich mit einem Gefühl der Erleichterung die Vermutung in Alfred aufstieg, die Nachricht von seiner bevorstehenden Verlobung sei trotz aller Geheimhaltung nach der rätselhaften Art der Gerüchte doch schon bis zu ihr gedrungen. Aber auf seine sich überstürzenden Fragen erfuhr er nichts anderes, als daß Elise, was sie ihm bisher verschwiegen, von Zeit zu Zeit an Herzkrämpfen leide, von denen sie sich sonst rasch zu erholen pflegte, deren Nachwirkung aber diesmal länger anzuhalten drohe als je. Alfred, im Bewußtsein seiner schuldvollen Vorsätze, war von dieser Eröffnung so heftig berührt, daß er sich in Ausdrücken der Teilnahme, in Beweisen von Güte gar nicht genug tun konnte; und vor Mitternacht, ohne zu begreifen, wie es so weit gekommen, hatte er mit Elisen den Plan einer gemeinsamen Reise entworfen, auf der sie gewiß dauernde Genesung von ihren üblen Zufällen finden sollte.

Niemals so zärtlich geliebt, nie aber auch so durchtränkt von eigener Zärtlichkeit hatte er je von ihr Abschied genommen als in dieser Nacht, so daß er auf dem Heimweg ernstlich einen Absagebrief an Adele erwog, in dem er seine Flucht aus Verlobung und Eheband wie ein Gebot seiner für ein dauernd stilles Glück nicht geschaffenen unsteten Natur zu entschuldigen gedachte. Die kunstvollen Verschlingungen der Sätze verfolgten ihn noch in den Schlaf; aber schon das Morgenlicht, das durch die Spalten der Jalousien auf seiner Decke spielte, ließ ihm die aufgewandte Mühe ebenso töricht als überflüssig erscheinen. Ja, er war kaum zu staunen fähig, daß ihm nun die leidende Geliebte der verflossenen Nacht traumhaft fern wie eine Verlassene erschien, während Adele blühend im Duft unermeßlicher Sehnsucht vor seiner Seele stand. Um die Mittagsstunde brachte er dem Vater Adelens seine Werbung vor, die wohl sehr freundlich, aber doch nicht mit völliger Zustimmung aufgenommen wurde. In gutmütig spöttischer Anspielung auf des Bewerbers oft versuchte Jugend stellte der Vater vielmehr die Forderung, Alfred möge sich vorerst für ein Jahr auf Reisen begeben, um so in der Entfernung die Kraft und die Widerstandsfähigkeit seiner Gefühle zu prüfen, und er widersetzte sich sogar dem Vorschlag eines Briefwechsels zwischen den jungen Leuten, um die Möglichkeit einer Selbsttäuschung auch auf diesem Wege mit Sicherheit ausgeschaltet zu wissen. Wenn Alfred mit den Absichten von heute wiederkehrte, und wenn er dann bei Adelen die gleichen Empfindungen wiederfände, die sie heute zu hegen überzeugt sei, so werde der sofortigen Vermählung des jungen Paares von seiner Seite nicht das geringste im Wege stehen. Alfred, der sich diesen Bedingungen nur widerstrebend zu fügen schien, nahm sie in Wahrheit wie eine neue Fristerstreckung des Geschicks innerlich aufatmend entgegen, und nach kurzem Besinnen erklärte er, unter diesen Umständen sich schon heute verabschieden zu wollen, wäre es auch nur, um damit zugleich das Ende der geforderten Trennungszeit näher heranzurücken. Adele schien zuerst von dieser unerwarteten Fügsamkeit verletzt zu sein, doch nach einer kurzen vom Vater verstatteten Unterredung unter vier Augen hatte Alfred seine Braut dahin gebracht, daß sie ihn um seiner Liebesklugheit willen bewunderte und ihn mit Schwüren der Treue, ja mit Tränen in den Augen in eine gefährliche Trennungsferne entließ.

Kaum auf die Straße gelangt, begann Alfred schon allerlei Möglichkeiten zu erwägen, die im Laufe dieses ihm zur Verfügung stehenden Jahres eine Lösung seiner Beziehungen zu Elisen herbeiführen könnten. Und sein Drang, die schwierigsten Angelegenheiten des Lebens ohne tätiges Eingreifen zu erledigen, war so übermächtig, daß jener nicht nur über seine Eitelkeit den Sieg davontrug, sondern auch dem Aufschweben düsterer Ahnungen günstig war, von denen sein wehleidiges Wesen sonst gerne zurückschreckte. In dem Zwang ungewohnt engen Zusammenseins, wie es die Reise mit sich brachte, so dachte er, könnte es wohl geschehen, daß Elise, erkaltend, sich allmählich von ihm abwendete; und auch das Herzleiden der Geliebten bot den Ausblick auf eine freilich unerwünschtere Art der Befreiung. Bald aber wies er beides, Hoffnung wie Befürchtung, mit so heftiger Bewegung von sich, daß am Ende nichts in ihm war als die kindlich-freudige Erwartung einer bunten Lustfahrt ins Weite in Gesellschaft eines liebenswürdig anhänglichen Geschöpfes; und noch am Abend des gleichen Tages plauderte er mit der arglosen Geliebten in heiterster Laune über die reizvollen Aussichten der bevorstehenden Reise.

Da der Frühling im Anzug war, suchte Alfred mit Elisen zuerst die milden Ufer des Genfersees auf. Später stiegen sie zu kühleren Gebirgshöhen empor, verbrachten den Spätsommer in einem englischen Seebad, besuchten im Herbst holländische und deutsche Städte, um endlich dem einbrechenden trüberen Wetter unter den Trost südlicher Sonne zu entfliehen. Bis dahin war nicht nur Elise, die über die nahe Umgebung Wiens früher nicht hinausgekommen war, wie eine köstlich Träumende an der Hand ihres geliebten Führers durch dieses Jahr der Wunder geschwebt; auch Alfred, so klar er sich immerfort der Zukunft mit ihren nur aufgeschobenen Schwierigkeiten bewußt war, hatte, von dem Glück Elisens wie mitgefangen, sich der anmutigen Gegenwart unbedenklich hingegeben. Und während er zu Beginn der Reise Begegnungen mit Bekannten vorsichtig auszuweichen gesucht, es möglichst vermieden hatte, mit Elisen sich auf belebteren Promenaden und in den Speisesälen großer Hotels zu zeigen, forderte er später mit einer gewissen Absichtlichkeit das Schicksal heraus und war gerne gefaßt, durch eine Depesche seiner Braut des Treubruchs bezichtigt und damit zwar eines noch immer heiß ersehnten Besitzes, zugleich aber alles Zwiespalts, aller Unruhe und aller Verantwortung ledig zu werden. Doch keine Depesche, noch sonst eine Nachricht aus der Heimat drang zu ihm, denn Adele hielt sich gegen Alfreds eitle Erwartung so streng wie er selbst nach der vom Vater geforderten Übereinkunft.

Doch es kam die Stunde, in der, für Alfred wenigstens dies Wunderjahr ein jähes Ende nahm und mit einem Male zauberlos, ja öder als irgendein anderes, das er erlebt, in der Zeit stillezustehen schien. Dies ereignete sich im Botanischen Garten zu Palermo an einem hellen Herbsttag, da Elise, die bis dahin sich frisch, lebhaft und blühend gezeigt hatte, plötzlich mit beiden Händen an ihr Herz griff, den Geliebten angstvoll anblickte und sofort wieder lächelte, als sei sie sich’s wie einer Pflicht bewußt, ihm keinerlei Ungelegenheiten zu verursachen. Dies aber, statt ihn zu rühren, füllte ihn mit Erbitterung, die er freilich vorerst unter der Miene des Besorgten zu verbergen wußte. Er warf ihr vor, ohne selbst daran zu glauben, daß sie ihm dergleichen Zufälle gewiß schon etliche Male geheimgehalten, gab seiner Kränkung Ausdruck, daß sie ihn offenbar für herzlos hielte, beschwor sie, heute noch, sofort, mit ihm einen Arzt aufzusuchen, und war recht froh, als sie diesen Vorschlag mit Rücksicht auf ihr geringes Vertrauen zu den Heilkünstlern des Landes ablehnte. Doch als sie plötzlich, wie überströmend von Dankbarkeit und Liebe, hier, unter freiem Himmel, auf der Bank, an der Leute vorübergingen, seine Hand an ihre Lippen drückte, fühlte er, gleich einer fliegenden Welle, Haß durch seine Pulse jagen, dessen Vorhandensein ihn zwar selbst in Erstaunen setzte, den er aber bald vor sich mit der Erinnerung vieler Stunden der Langweile und Leere entschuldigte, an denen die Reise, wie er mit einmal zu wissen glaubte, allzu reich gewesen war. Zugleich flammte ein so glühendes Verlangen nach Adelen in ihm auf, daß er, allen Abmachungen zu Trotz, noch am gleichen Tag eine Depesche an sie sandte, in der er sie um ein Wort nach Genua anflehte und die er unterschrieb: Ewig der Deine.

Wenige Tage später fand er in Genua ihre Erwiderung, die lautete: Und ich die Deine für ebensolang. Mit dem zerknitterten Blatt auf dem Herzen, das ihm nun trotz des fragwürdig scherzhaften Tones den Inbegriff aller Hoffnungen bedeutete, trat er in Elisens Begleitung die Fahrt nach Ceylon an, die als voraussichtlich schönster Teil der Reise an deren Ende gesetzt war. Elise hätte von verschlagenerer Gemütsart sein müssen, als sie war, wenn sie auf dieser Fahrt zu ahnen vermocht hätte, daß nur das kühne Spiel von Alfreds Einbildungskraft ihr reichere Wonnen des Geliebtseins schenkte als je zuvor; wenn sie gewußt hätte, daß nicht sie selbst es mehr war, die nun in den schweigenden dunklen Meeresnächten an seinem Halse lag, sondern die ferne, durch seine Sehnsucht in aller Lebensfülle herbeigezauberte Braut. Doch auf der endlich erreichten glühenden Insel, in der dumpfen Gleichförmigkeit des letzten Aufenthaltes, da er erkannte, daß die allzu stürmisch aufgeforderte Phantasie ihm den Dienst versagen wollte, begann er sich von Elisen fernzuhalten und war tückisch genug, eine neue leichte Mahnung des Herzleidens, das sie beim ersten Betreten des festen Bodens angewandelt, als die Ursache seiner Zurückhaltung anzugeben. Sie nahm es hin wie alles, was von ihm kam, als Zeichen einer Liebe, die ihr nun allen Sinn und alle Seligkeit des Daseins bedeutete. Und wenn sie, unter dem wilden Glanz eines blaugoldenen Himmels, fest an ihn geschmiegt und geborgen, durch die rauschenden Schatten der Wälder fuhr, wußte sie nicht, daß ihr Begleiter nur die einsame Stunde herbeiwünschte, in der ihm, ungestört von Elisen, Gelegenheit geboten war, mit fliegender Feder beschwörende, sengende Worte an eine andere auf das Papier zu werfen, von deren Dasein in der Welt Elise bis zu diesem Augenblick nichts ahnte und niemals etwas ahnen sollte. In solchen Stunden des Alleinseins stieg sein Verlangen nach der Entfernten so mächtig an, daß er die Eine, die Nahe, die ihm Gehörende, die, mit der er nun bald ein Jahr lang die Welt durchquerte, bis auf die Züge des Antlitzes, ja bis auf die Stimme zu vergessen vermochte. Und als er in der Nacht vor dem Antritt der Heimreise, aus dem Schreibzimmer kommend, Elise in einem neuen schweren Anfall halb bewußtlos auf das Bett hingestreckt fand, erkannte er, was er sonst eher wie eine leise Angst in sich zu fühlen geglaubt hatte, mit leichtem, beinahe süßem Grauen als die nie erloschene, finster glimmende Hoffnung seiner Seele. Dennoch sandte er ohne Aufschub und in wirklich schmerzlicher Erregung nach dem Arzt, der unverzüglich erschien und der Kranken durch eine Morphiumeinspritzung Linderung verschaffte. Dem vermeintlichen Gatten aber, der die nun bedenklich gewordene Reise aus gewichtigen Gründen nicht aufschieben zu können erklärte, gab er ein Billett mit, das die Leidende der besonderen Sorgfalt des Schiffsarztes empfahl.

Gleich in den ersten Tagen schien die Seeluft auf Elise den wohltätigen Einfluß auszuüben. Ihre Blässe verschwand, ihr Wesen war aufgeschlossener, ihr Gebaren freier, als Alfred es jemals an ihr wahrgenommen. Und während sie früher sich gegen jede, selbst die harmloseste Annäherung von fremder Seite gleichgültig, ja abwehrend verhalten hatte, wich sie diesmal gemeinsamen Unterhaltungen, wie sie das Leben auf dem Schiffe mit sich brachte, keineswegs aus und nahm die achtungsvollen Huldigungen einiger mitreisender Herren mit Befriedigung entgegen. Insbesondere ein deutscher Baron, der auf dem Meere Heilung eines langwierigen Lungenleidens suchte, hielt sich in Elisens Nähe so viel auf, als es eben noch ohne Zudringlichkeit geschehen konnte, und Alfred hätte sich gern überredet, das aufmunternde Benehmen, das Elise diesem liebenswürdigsten ihrer Bewunderer gegenüber zur Schau trug, als die willkommenen Zeichen einer neukeimenden Neigung anzusehen. Doch als er Elise einmal scheinbar ärgerlich über ihre auffallende Freundlichkeit zur Rede zu stellen versuchte, erklärte sie ihm lächelnd, daß all dies entgegenkommende Wesen andern gegenüber nichts anderes bezweckt hätte, als des Geliebten Eifersucht zu erregen, und sie der gelungenen List sich unsäglich freute. Diesmal vermochte Alfred seine Ungeduld, seine Enttäuschung nicht mehr zu verbergen. Er erwiderte ihr Geständnis, durch das sie ihn beruhigt und beglückt zu haben glaubte, mit Worten von einer ihr unbegreiflichen Härte; in dumpfer Ratlosigkeit hielt sie ihnen eine Weile stand, bis sie plötzlich auf dem Verdeck, wo die Unterredung stattgefunden hatte, bewußtlos zusammenstürzte und in die Kajüte hinuntergetragen werden mußte. Der Schiffsarzt, durch das Schreiben seines Kollegen genügend unterrichtet, hielt eine nähere Untersuchung nicht für nötig und brachte dem gequälten Herzen durch das schon einmal bewährte Mittel vorübergehende Linderung. Doch konnte er nicht verhindern, daß sich die Anfälle am nächsten und am dritten Tage ohne jede äußere Veranlassung wiederholten, und wenn das Morphium auch nie seine Wirkung versagte, so durfte er doch seine Befürchtung nicht verhehlen, daß die Krankheit ein übles Ende nehmen könnte, und mahnte Alfred in angemessener, aber höchst bestimmter Form, seiner schönen Gattin in jeder Hinsicht Schonung angedeihen zu lassen.

Alfred, in seinem dumpf wühlenden Groll gegen Elise, wäre leicht geneigt gewesen, dem Arzte besonders in dem einen Punkte, der einem strengen Verbote gleichkam, Folge zu leisten, wenn nicht Elise, von Sehnsucht verzehrt, in einer einsamen Nachtstunde den Widerstrebenden, als gälte es, ihn durch Zärtlichkeit zu versöhnen, endlich wieder in ihr Herz zu ziehen verstanden hätte. Doch wie sie mit halbgeschlossenen Augen vergehend in seinen Armen lag und er über ihrer feuchten Stirne den bläulichen Wellenschein verschimmern sah, der durch das kleine Kajütenfenster hereinbrach, da fühlte er, wie ihm gleichsam aus den tiefsten Seelengründen auf die Lippen ein Lächeln stieg, das er selbst erst allmählich als eines des Hohns, ja des Triumphes erkannte. Und noch während er seiner dunklen Hoffnung erschauernd sich bewußt ward, mußte er sich sagen, daß ihre Erfüllung nicht nur für ihn das Heil und die Rettung aus allem Wirrsal, sondern daß auch Elise, wenn sie das Ende als unausbleiblich erkannt hätte und ihr eine Wahl verstattet wäre, kein anderes wünschen würde, als unter seinen Küssen zu verscheiden. Und wie sie nun, wohl vertraut mit der Gefahr, in immer leidenschaftlicherer Hingabe gleichsam bereit schien, aus Liebe und in Liebe dahinzugehen, so glaubte er sich stark genug, ein Opfer anzunehmen, durch das, so ungeheuer es auch war, im Ineinanderwirken schicksalhafter Zusammenhänge das Los dreier Menschen zuletzt doch nur günstig gewendet würde.

Aber während er Nacht für Nacht das matte Verschimmern ihrer Augen, das selige Verhauchen ihres Atems mit erwartungsvollem Grauen beobachtete, erschien er sich wie ein Betrogener, wenn eine Minute später ihre erwachenden Blicke dankbar in die seinen glänzten, der warme Hauch ihrer Lippen mit frischer Lust den seinen eintrank und so der ganze Aufwand seiner tödlichen Tücke zu nichts anderem vertan war, als neues schöneres Leben durch Elisens Pulse zu treiben. Und sie war seiner Liebe so sicher, daß sie bei Tag, wenn er sie auf Stunden sich selbst oder der Gesellschaft anderer überlassen hatte, um auf dem obersten Verdeck die fiebernde Stirn dem kühlenden Meerwinde preiszugeben, ohne Mißtrauen zurückblieb und das ratlos irre Lächeln des Wiederkehrenden leuchtenden Auges wie einen zärtlichen Gruß erwiderte.

In Neapel, wo das Schiff zu eintägiger Rast anlegen sollte, um dann ohne weiteren Zwischenaufenthalt nach Hamburg abzugehen, hoffte Alfred von Adelen einen Brief zu finden, um den er sie zuletzt aus Ceylon in glühenden Worten angefleht hatte. Das stürmische Wetter enthob ihn der Mühe, einen Vorwand dafür zu suchen, daß er sich ohne Elise in Gesellschaft anderer gleichgültiger Reisender durch einen der bereitliegenden Kähne ans Land setzen ließ. Er fuhr zur Post, trat zum Schalter, nannte seinen Namen und mußte sich mit leeren Händen zurückziehen. Wenn er sich auch damit zu beruhigen versuchte, daß Adelens Brief nicht rechtzeitig abgesandt oder verloren gegangen war, so ließ ihn doch das Gefühl von Vernichtung, das nach dieser Enttäuschung über ihn kam, erkennen, daß ein künftiges Leben ohne Adele für ihn nicht mehr zu denken war. Am Ende seiner Verstellungskräfte angelangt, dachte er zuerst daran, sofort nach seiner Rückkehr auf das Schiff Elisen schonungslos die Wahrheit mitzuteilen. Gleich aber kam die Überlegung, daß die Folgen eines solchen Geständnisses nicht abzusehen wären, daß es Elise nicht nur auf der Stelle tödlich treffen, daß es sie auch in Wahnsinn oder Selbstmord treiben, daß aber eine solche Begebenheit in ihren Ursachen kaum geheim bleiben und damit seinen Beziehungen zu Adele verhängnisvoll werden könnte. Das gleiche blieb zu befürchten, wenn er das Geständnis bis zum letzten Augenblick, bis zur Landung in Hamburg oder gar bis zur Ankunft in Wien aufschieben wollte. In so verzweifelten Gedanken und ihrer Hinterhältigkeit sich kaum mehr bewußt, wandelte Alfred zur Mittagszeit im brennenden Sonnenschein am Meeresstrand umher, als er sich plötzlich schwindeln und einer Ohnmacht nahe fühlte. Angsterfüllt sank er auf eine Bank und blieb sitzen, bis der Krampf sich löste und die Nebel vor seinen Augen schwanden. Dann aber atmete er wie erwachend auf. Er wußte mit einemmal, daß in dem unbegreiflichen Augenblick, da seine äußeren Sinne ihn zu verlassen gedroht hatten, ein Entschluß furchtbar und klar zu Ende gereift war, der längst in den Tiefen seiner Seele sich vorbereitet hatte. Seinen heißen, grausamen Wunsch, dessen Erfüllung er all die Tage her gleichsam aus feiger Verborgenheit zu fördern gesucht hatte, er mußte ihn nun ohne weiteren Aufschub mit eigenem Willen, mit eigenen Händen zur Tat machen. Und wie das Ergebnis langer innerer Überlegung stieg ein fertiger Plan aus seiner Brust hervor.

Er erhob sich und begab sich vorerst in ein Hotel, um dort mit dem trefflichsten Appetit sein Mittagmahl einzunehmen. Dann suchte er nacheinander drei Ärzte auf, gab sich überall als einen von unerträglichen Schmerzen gepeinigten Kranken aus, der, seit Jahren an Morphium gewöhnt, mit seinem Vorrat zu Ende gekommen sei, nahm die erbetenen Rezepte in Empfang, ließ sie in verschiedenen Apotheken anfertigen und fand sich, als er bei sinkender Sonne wieder an Bord ging, im Besitze einer Dosis, die er für seine Zwecke mehr als genügend halten durfte. An der Abendtafel auf dem Schiff erzählte er im Tone höchsten Entzückens von einer Wanderung durch Pompeji, zu der er den verflossenen Tag ausgenützt hätte, und mit einer brennenden Lust am Lügen, als müßte er nun sein eigenes Wesen ins Teuflische steigern, verweilte er bei der Schilderung einer Viertelstunde, die er im Garten des Appius Claudius verbracht hatte, vor einer Statuette, die er natürlich in Wirklichkeit nie gesehen und von der er zufällig im Reisehandbuch gelesen. Elise saß an seiner Seite, ihr gegenüber der Baron, die Blicke der beiden begegneten sich, und Alfred vermochte die Vorstellung nicht abzuwehren, daß hier zwei Gespenster aus leeren Augenhöhlen einander anstarrten.

Später aber, wie an so manchem Abend vorher, wandelte er mit Elisen auf dem obersten Verdeck im Mondenschein umher, während fern die Lichter der Küste verglänzten. Da er eine Sekunde lang sich schwach werden fühlte, jagte er seinen Entschluß durch die Einbildung neu auf, daß es Adelens Arm wäre, den er an den seinen preßte; und an der Glutwelle, die ihm durch die Adern schoß, erkannte er, daß das Glück, das seiner wartete, auch durch die furchtbarste Schuld nicht zu teuer erkauft wäre. Zugleich aber regte sich in ihm geheimnisvoll etwas wie Neid auf das junge Geschöpf an seiner Seite, dem es beschieden sein sollte, aus aller Lebenswirrnis so bald ohne Leiden und ahnungslos den erlösenden Ausgang zu finden.

Als er Elise in der Kajüte mit vollkommener, fast ins Unerträgliche gesteigerter Klarheit und doch mit verzweifelter Lust zum letztenmal in die Arme schloß, empfand er sich wie den Vollzieher eines Schicksals, an dem sein Wille keinen Anteil mehr hatte. Nur eines Griffes von seinen Fingern hätte es bedurft, das Glas umzustoßen, das bläulich vom Tischchen herüberschillerte, und die Gifttropfen wären, ein harmloses Naß, in die gleichgültigen Dielen versickert. Aber Alfred lag regungslos und wartete. Er wartete, bis er endlich, mit stillstehendem Herzen, einer ihm wohlvertrauten Bewegung Elisens gewahr wurde, die mit halb geschlossenen Augen ihre Hand nach dem Glas ausstreckte, um, wie sie immer vor dem Einschlafen tat, ihren letzten Durst zu stillen. Er sah mit weit aufgerissenen Lidern, ohne sich zu rühren, wie sie sich ein wenig aufrichtete, das Glas an die Lippen setzte und dessen Inhalt in einem Zuge hinunterstürzte. Dann legte sie sich wieder hin mit einem leichten Seufzer, den Kopf, ihrer Gewohnheit nach, zum Schlummer an seine Brust bettend. Alfred hörte in seinen Schläfen ein langsames, dumpfes Hämmern, hörte Elisens ruhiges Atmen und hörte die Wellen wie klagend an den Bug des Schiffes schlagen, das gleichsam durch eine stillestehende Zeit hinschwebte.

Mit einem Male fühlte er, wie ein heftiges Beben durch Elisens Körper ging. Ihre beiden Hände griffen nach seinem Nacken, ihre Finger schienen sich in seine Haut einbohren zu wollen, dann erst, mit einem langen Stöhnen öffnete sie die Augen. Alfred löste sich aus ihrer Umklammerung, sprang aus dem Bett, sah, wie sie versuchte, sich zu erheben, mit den Armen ins Leere schlug, einen irren Blick in der Dämmerung hin und her flackern ließ, und plötzlich der Länge nach wieder zurücksank, um mit kurzen flachen Atemzügen, aber völlig bewegungslos liegenzubleiben. Alfred erkannte sofort, daß sie ohne jedes Bewußtsein war, und fragte sich kalt, wie lange dieser Zustand wohl währen könnte, ehe er zum Ende führte. Es fiel ihm zugleich ein, daß sie in diesem Augenblick vielleicht noch zu retten wäre; und mit dem dunklen Gefühl, auf diese Art ein letztes Mal das Schicksal zu versuchen: entweder selbst die Früchte seines bisherigen Tuns zu vernichten oder durch ein kühnes Wagnis sich zu entsühnen, eilte er davon, den Arzt zu holen. Erkannte der, was hier geschehen war, so sollte das Spiel endgültig verloren sein; im andern Falle aber sprach er sich selbst für alle Zukunft von Schuld und Reue los.

Als Alfred mit dem Arzt in die Kajüte trat, lag Elise bleich mit halb offenen verglasten Augen, die Finger in die Decke verkrampft und schimmernde Tropfen auf Stirn und Wangen. Der Arzt beugte sich nieder, legte sein Ohr an ihre Brust, horchte lang, nickte bedenklich, schob Elisens Lider auseinander, hielt die eigene Hand vor ihre Lippen, horchte noch einmal; dann wandte er sich zu Alfred und eröffnete ihm, daß der Todeskampf zu Ende sei. Mit einem irren Blick, der nicht geheuchelt war, schlug Alfred die Hände über dem Kopf zusammen, sank vors Bett hin und blieb, die Stirn auf Elisens Knie gepreßt, eine kurze Weile so liegen. Dann wandte er sich um und starrte wie verloren den Arzt an, der mit bedauerndem Blick ihm die Hand bot. Alfred nahm sie nicht, schüttelte den Kopf, und, im völligen Besitze seiner inneren Klarheit, wie in allzu spätem Selbstvorwurf, flüsterte er vor sich hin: »Hätten wir Ihnen doch gefolgt.« Dann verbarg er kummervoll das Gesicht in den Händen. »Das hab ich mir denken können,« hörte er den Arzt tadelnd, aber mild erwidern: und in einem übermächtigen Gefühl des Triumphes spürte er hinter seinen zuckenden Lidern das Glühen und Leuchten seiner Augen.

Schon am Tage darauf, wie es die Vorschrift verlangte, wurde Elisens Leichnam ins Meer gesenkt, und Alfred als Witwer fühlte sich von allgemeiner, doch stumm zurückhaltender Teilnahme umgeben. Niemand wagte ihn zu stören, wenn er stundenlang auf dem Verdeck hin und her ging und in eine Weite blickte, die für ihn, was niemand ahnen konnte, vom Dufte seligster Hoffnungen durchweht war. Nur der Baron schloß sich zuweilen auf kurze Minuten dem hin und her Wandelnden an, wobei er es mit deutlicher Absicht unterließ, auch nur mit einem Worte des Trauerfalls zu gedenken. Alfred wußte wohl, daß den Baron nichts anderes zu diesen Begleitgängen veranlaßte, als die Sehnsucht, sich für kurze Minuten wieder im Dunstkreis der geliebten Verstorbenen zu fühlen. Für Alfred waren diese Minuten die einzigen, in denen er sich von der Vergangenheit angerührt fühlte; sonst hatte er sich völlig über seine Tat, und was sie den Menschen bedeuten mochte, emporgehoben. In lebendiger Gegenwart stand das Bild der Heißersehnten, in Schuld Errungenen vor ihm; und wenn er vom Bug des Schiffes aus hinab ins Wasser schaute, so war ihm, als sähe er sie friedevoll über begrabene Welten dahinrinnen, denen es in ihrer Schlummertiefe gleich war, ob sie gestern oder vor tausend Jahren versunken waren.

Erst als die deutsche Küste sichtbar wurde, gingen seine Pulse schneller. Seine Absicht war es, in Hamburg nicht länger zu verweilen, als nötig war, den Brief zu beheben, der ja hier seiner warten mußte, und mit dem nächsten Zuge heimwärts zu reisen. Die Langwierigkeit der Ausschiffung verursachte ihm quälende Ungeduld; und wie erlöst atmete er auf, als das Gepäck endlich auf den Wagen geschafft war und er durch die Straßen der Stadt, über denen mit kleinen rosa Wolken der späte Frühlingsnachmittag hing, zum Postgebäude fuhr. Er überreichte dem Beamten seine Karte, sah ihm mit heißen Augen zu, die Briefschaften durchblättern, hielt die Hand schon zum Empfang bereit und empfing die Antwort, daß nichts für ihn da wäre, kein Brief, keine Karte, kein Telegramm. Er versuchte ein ungläubiges Lächeln und bat den Beamten in fast demütigem Tone, dessen er sich gleich schämte, nochmals nachzusehen. Und nun versuchte Alfred, über die Ränder der Briefumschläge weg die Adressen zu entziffern, glaubte immer wieder seinen Namen in Adelens Schriftzügen zu erkennen, streckte ein paarmal schon hoffnungsvoll die Hände aus — und mußte immer wieder erfahren, daß er sich getäuscht hatte. Endlich legte der Beamte das Päckchen in das Fach zurück, schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Alfred empfahl sich mit übertriebener Höflichkeit und fand sich in der nächsten Minute halb betäubt vor dem Tore stehen. Klar war ihm nur das eine, daß er vorläufig hier festgebannt war und keineswegs nach Wien fahren konnte, ohne irgend eine Nachricht von Adelen in Händen zu haben. Er fuhr in ein Hotel, nahm ein Zimmer und warf vor allem die folgenden Worte auf eines der bereitliegenden Blankette: »Keine Silbe von dir. Unbegreiflich. Fassungslos. Bin übermorgen daheim. Wann kann ich dich sehen? Antworte sofort.« Er setzte seine Adresse dazu und gab die Depesche mit bezahlter Rückantwort auf. Als er in die schon abendlich erleuchtete Halle trat, spürte er zwei Augen auf sich gerichtet; von einem Lehnstuhl her, eine Zeitung auf dem Knie, ernst, ohne sich zu erheben, grüßte ihn der Baron, von dem er auf dem Schiff nur flüchtigen Abschied genommen hatte. Alfred zeigte sich von der unverhofften Begegnung erfreut, glaubte sogar, es wirklich zu sein, und machte dem Baron von seiner Absicht Mitteilung, bis morgen hier zu bleiben. Der Baron, der trotz seiner bleichen Wangen und seines fortgesetzten Hüstelns behauptete, sich sehr wohl zu fühlen, schlug während des Abendessens vor, gemeinsam eine Singspielhalle aufzusuchen, und bemerkte auf Alfreds Zögern hin leise und mit gesenkten Wimpern, daß Trauer noch niemanden von den Toten auferweckt habe. Alfred lachte, erschrak über sein Lachen, glaubte seine Verlegenheit von dem Baron bemerkt und fühlte sofort, daß er nichts Klügeres tun konnte, als sich ihm anzuschließen. Bald darauf saß er mit ihm in einer Loge, trank Champagner, sah durch Rauch und Dunst bei den gemeinen Klängen eines schrillen Orchesters Gymnastiker und Clowns ihre Künste und Späße treiben, hörte halbnackte Weiber freche Lieder singen und lenkte des schweigsamen Genossen Aufmerksamkeit wie unter einem wütenden Zwang auf wohlgeformte Beine und üppige Brüste, die sich auf der Bühne zur Schau stellten. Dann scherzte er mit einer Blumenverkäuferin, warf einer Tänzerin, die verführerisch ihre schwarzen Locken schüttelte, eine gelbe Rose vor die Füße und lachte auf, als er die schmalen Lippen des Barons wie in Bitternis und Ekel zucken sah. Später war ihm, als blickten aus dem Saal unten Hunderte mit böser Neugier ihn an, und als gälte das Raunen und Summen ihm allein. Fröstelnde Angst kroch ihm über den Rücken, dann fiel ihm ein, daß er ein paar Gläser Champagner allzu geschwind hinuntergestürzt hatte, und war wieder beruhigt. Er merkte mit Befriedigung, daß, während er über die Brüstung gebeugt gewesen, zwei geschminkte Weiber den Baron in eine Unterhaltung gezogen hatten, atmete auf, als wäre er einer Gefahr entronnen, erhob sich, nickte dem Gefährten wie ermutigend und zu dem Abenteuer glückwünschend zu; und bald ging er, allein, durch Straßen, die er nie gesehen und niemals wieder sehen würde, irgend eine Melodie vor sich hinpfeifend und im Gefühl, eine Traumstadt zu durchirren, in der kühlen Nachtluft nach dem Hotel zurück.

Als er des Morgens nach dumpfem, tiefem Schlaf erwachte, mußte er sich erst besinnen, daß er nicht mehr auf dem Schiff dahinfuhr und daß der weiße Schimmer dort nicht Elisens Morgenkleid, sondern einen Fenstervorhang bedeutete. Mit einer ungeheuren Willensanstrengung wehrte er eine drohend aufsteigende Erinnerung ab und klingelte. Zugleich mit dem Frühstück brachte man ihm ein Telegramm. Er ließ es auf dem Tablett liegen, solange sich der Kellner noch im Zimmer aufhielt; und es war ihm, als verdiente diese Selbstüberwindung irgendwie ihren Lohn. Kaum hatte sich die Türe wieder geschlossen, so öffnete er das Telegramm mit zitternden Fingern, die Buchstaben schwammen zuerst vor seinen Augen, plötzlich aber standen sie starr und riesengroß: »Morgen Mittag 11 Uhr. Adele.« Er rannte hin und her, lachte durch die Zähne und ließ sich von dem knappen, kalten Ton der Aufforderung durchaus nicht anfrösteln. So war nun einmal ihre Art. Und wenn er auch daheim nicht alles fände, wie er noch vor kurzem gehofft hatte, ja selbst wenn ihm irgendwelche unangenehme Eröffnungen bevorstünden, was hatte es weiter zu bedeuten? Er würde ihr doch wieder gegenüberstehen, im Lichte ihrer Augen, im Duft ihres Atems, und so war das Ungeheure nicht vergebens getan.

Es hielt ihn nicht länger im Hotel, die kurze Zeit bis zum Abgang des Zuges lief er in der Stadt umher, mit überoffenen Lidern, aber ohne Menschen und Dinge zu sehen. Mittags fuhr er von Hamburg ab, starrte durch die Scheiben stunden- und stundenlang auf die fliehende Landschaft; alles, was von Gedanken, Hoffnungen und Befürchtungen in ihm sich regen wollte, mit der ganzen wohlgeübten Anspannung seines Willens niederzwingend; und wenn er, um den Mitreisenden nicht allzu auffällig zu werden, ein Buch oder eine Zeitung vornahm, so zählte er, ohne zu lesen, einmal übers andere bis hundert, fünfhundert, tausend. Als es Nacht wurde, durchbrach die zehrende Sehnsucht alle seine Bemühungen, sich gefaßt zu halten. Er schalt sich närrisch, das Ausbleiben der Nachrichten und den Ton der letzten Depesche mißdeutet zu haben, und wußte keinen andern Vorwurf gegen Adele, als daß sie sich redlicher an die Abmachung gehalten als er. Aber sollte sie etwa auf irgend eine Weise doch erfahren haben, daß er mit einer Frau gereist war, so fühlte er sich in seiner Liebe stark genug, gegen alle Eifersucht und Erbitterung die Beleidigte wieder zurückzugewinnen. Und so sehr hatte er sich zum Herrn über seine wachen Träume gesetzt, daß er in dieser endlosen Nacht die Melodie ihrer Stimme zu hören, die Umrisse ihrer Gestalt und ihre Züge zu sehen, ja, daß er ihren Kuß zu fühlen vermochte, so versengend süß, wie er ihm in Wirklichkeit von ihren Lippen niemals beschieden gewesen.

Er war daheim. Mit freundlichem Behagen empfing ihn seine Wohnung. Das sorglich bereitete Frühstück mundete ihm trefflich, und zum erstenmal wieder seit vielen Tagen, so wollte ihm scheinen, dachte er in völliger Ruhe jener andern, die, von irdischem Gram für alle Zeit erlöst, im schweigenden Meere schlummerte. In irgendeinem Augenblicke war ihm, als könnte jene Stundenfolge von der Landung in Neapel an bis zu Elisens Tod wohl auch eine Einbildung seiner zerrütteten Nerven sein, und der schlimme Ausgang wäre, wie ja die Ärzte vorausgesehen, ja prophezeit hatten, nur im gesetzmäßigen Verlaufe der Krankheit geschehen. Ja, der Mann, der in einer sonnbeglänzten fremden Stadt tückisch von Arzt zu Arzt, von Apotheker zu Apotheker geeilt und mit grausamem Vorbedacht das tödliche Gift vorbereitet hatte, der Mann, der die Geliebte, die er ins Jenseits senden wollte, noch eine Stunde vorher zu frevler Wonne in die Arme geschlossen, schien ihm ein völlig anderer als der, der hier zwischen traulichen Wänden in einer unveränderten, bürgerlich behaglichen Umgebung seinen Tee trank; schien ihm einer, der viel mehr war als er, einer, zu dem er selbst mit schaudernder Bewunderung emporschauen müßte. Doch als ihm später, da er aus dem Bade stieg, der Spiegel sein schlankes, nacktes Bild zurückwarf und er sich plötzlich bewußt ward, daß er es doch selber war, der das Unbegreifliche getan, da sah er seine Augen in hartem Glanze leuchten, fühlte sich würdiger als je, die wartende Braut an sein Herz zu schließen und, höhnische Überlegenheit auf den Lippen, ihrer Liebe so sicher wie nie zuvor.

Zur bestimmten Stunde trat er in den gelben Salon, den er vor einem Jahre fast am gleichen Tage zum letztenmal verlassen hatte, und in der nächsten Minute stand Adele vor ihm, unbefangen, als hätte sie am Tag vorher Abschied von ihm genommen, reichte ihm die Hand und überließ sie ihm zu einem langen Kuß. Was hält mich ab, sie zu umarmen? fragte er sich. Da hörte er sie schon reden mit der dunklen Stimme, die er ja heute Nacht erst im Traum vernommen, und es ward ihm bewußt, daß er selbst noch kein Wort gesprochen, daß er nur ihren Namen geflüstert hatte, als sie vor ihn hingetreten war. Er möge ihr nicht übelnehmen, begann sie, daß sie ihm auf seine schönen Briefe nicht geantwortet hätte; aber es sei nun einmal so, daß gewisse Angelegenheiten sich Aug‘ in Aug‘ besser und einfacher erledigen ließen als schriftlich. Ihr Schweigen müsse ihn ja jedenfalls vorbereitet haben, daß sich mancherlei geändert hätte, und der kühle Ton ihrer Depesche wäre, wie sie sofort gestehen wolle, durchaus beabsichtigt gewesen. Seit ungefähr einem halben Jahre sei sie nämlich mit einem andern verlobt. Und sie nannte einen Namen, den Alfred kannte. Es war der eines seiner vielen guten Freunde aus alter Zeit, dessen er im Laufe dieses Jahres so wenig gedacht hatte, wie beinah aller Menschen, denen er früher begegnet war. Er hörte Adele ruhig an, starrte gebannt auf ihre glatte Stirn, dann gleichsam durch sie ins Leere, und in seinen Ohren rauschte es wie von fernen Wellen, die über versunkene Welten rannen. Plötzlich sah er es aus Adelens Augen hervorbrechen wie einen Schimmer von Angst; er wußte, daß er totenblaß mit furchtbarem Blick ihr gegenüberstand, und er sagte, sich selbst unvermutet, hart und klanglos: »Das geht nicht, Adele, du irrst dich, du darfst nicht.«

Daß er endlich Worte gefunden, beruhigte sie offenbar. Sie lächelte wieder in ihrer verbindlichen Art und erklärte ihm, daß nicht sie es sei, die sich irrte, sondern er. Sie dürfe nämlich, sie dürfe alles, was sie wolle. Sie sei ja gar nicht mit ihm verlobt gewesen, sondern als freie Menschen seien sie voneinander geschieden, ohne jede Verpflichtung, sie wie er. Und da sie ihn nicht mehr liebe, sondern jenen andern, so sei die Sache eben erledigt. Er müsse das einsehen und sich fügen; sonst bedaure sie wirklich, daß sie dem väterlichen Rat von heute Morgen nicht gefolgt und für Alfred einfach nicht mehr zu Hause gewesen sei. Und sie saß ihm gegenüber, die schlanken Hände über dem Knie verschlungen, mit hellen, fernen Augen.

Alfred fühlte, daß er seiner ganzen Beherrschung bedurfte, um nicht etwas Lächerliches oder Gräßliches zu vollbringen. Was er eigentlich wollte, war ihm nicht klar. Ihr an den Hals fahren und sie würgen, oder sich auf den Boden hinwerfen und jammern wie ein Kind? Aber was half es darüber nachzudenken. Er hatte ja keine Wahl, er lag ja schon da wie gefällt und hatte eben noch die Geistesgegenwart, die Hände Adelens zu fassen, die davoneilen wollte, und heiser zu ihr emporzuflehen, daß sie bleibe. Eine Viertelstunde nur! Ihn anhören! Das könnte er doch von ihr verlangen nach all dem, was früher zwischen ihnen gewesen. Er müsse ihr ja so viel erzählen, mehr als sie ahnen könne, und sie sei verpflichtet, es anzuhören. Denn wenn sie alles wisse, dann würde sie auch wissen, daß er ihr zu eigen gehöre und sie ihm allein. Wissen, daß sie keinem andern gehören dürfe, daß er sie sich errungen in Schuld und Qualen, daß vor seinen ungeheuren Rechten alle andern in den Staub sänken, tief in den Staub, daß sie an ihn geschmiedet sei, unauflöslich, für ewige Zeiten, so wie er an sie. Und auf den Knien vor ihr, ihre Hände in den seinen krampfend, seine Blicke in den ihren, ließ er seine Worte fliegen, breitete den ganzen Inhalt des vergangenen Jahres vor ihr aus, erzählte, wie er vor ihr eine andere geliebt, wie er mit jener andern, die krank gewesen und niemand auf Erden hatte als ihn, fortgereist war, wie er in Qualen der Sehnsucht sich verzehrt, wie aber die andere hilflos und klammernd an ihm gehangen; wie er am Ende seiner Pein, aus Liebe zu ihr, zu ihr, deren Hände er in den seinen halte, aus einer Liebe, wie die Erde sie noch nie gesehen — wie er jene andere, die ohne ihn nicht hätte leben wollen und können, aus der Welt geschafft, mitleidig-tückisch vergiftet habe; wie unter fernen Meereswogen nun das arme Geschöpf schlummerte — das Opfer für eine Seligkeit, die ja nun auch ohnegleichen sein werde, wie der Preis, um den sie errungen ward.

Adele hatte ihm ihre Hände gelassen, auch ihren Blick hatte sie aus dem seinen nicht emporgetaucht. Sie hörte an, was er erzählte, und er wußte nicht recht, wie: ob als ein Märchen von fernen fremden Wesen oder als einen Zeitungsbericht von Menschen, die sie nichts angingen. Vielleicht glaubte sie ihm nicht einmal, was er ihr erzählte. Aber jedenfalls war es ihr gleich, ob Wahrheit von seinen Lippen kam oder Lüge. Er fühlte seine Ohnmacht mehr und mehr. Er sah alle seine Worte leer und kühl an ihr herunterrinnen; und am Ende, da er sein Schicksal von ihren Lippen lesen wollte, das er doch schon kannte, schüttelte sie nur den Kopf. Er sah sie an angstvoll, wissend und doch ungläubig, mit einer irren Frage in den flackernden Augen.

»Nein,« sagte sie starr, »es ist aus.«

Und er wußte, daß es mit diesem Nein für immer zu Ende war. Völlig unbewegt blieben Adelens Mienen. Nicht die leiseste Erinnerung entschwundener Zärtlichkeit, nicht einmal Grauen war in ihnen, nur ein vernichtender Ausdruck von Gleichgültigkeit und Langeweile.

Alfred neigte das Haupt, leer lächelnd wie zum Einverständnis, ergriff ihre Hände nicht mehr, die sie entfremdet hängen ließ, wandte sich und ging. Die Tür hinter ihm blieb offen, und er fühlte einen kalten Hauch im Nacken. Als er die Treppe hinunterging, wußte er, daß ihm nichts zu tun übrig blieb, als ein Ende zu machen. So über alle Zweifel war das entschieden, daß er gemächlich schlendernd durch den schmeichelnden Frühlingstag nach Hause spazierte, wie zum ersehnten Schlummer nach einer wüsten Nacht.

In seinem Zimmer aber erwartete ihn jemand. Es war der Baron. Ohne Alfreds dargebotene Hand zu nehmen, erklärte er, nur eine kurze Aussprache mit ihm zu wünschen, und auf ein kurzes höfliches Nicken Alfreds fuhr er fort: »Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen mitzuteilen, daß ich Sie für einen Schurken halte.« Gut so, dachte Alfred, auch gegen diesen Abschluß ist nichts zu sagen; und er entgegnete ruhig: »Ich stehe Ihnen zur Verfügung. Morgen früh, wenn’s gefällig ist.« Der Baron schüttelte kurz den Kopf. Es zeigte sich, daß er alles, offenbar schon von der Reise aus, wohl vorbereitet hatte. Zwei junge Herren von der deutschen Botschaft harrten nur seiner weiteren Aufträge; und er sprach die Erwartung aus, daß sein Gegner, der ja hier zu Hause sei, es leicht ermöglichen werde, die Sache noch vor Abend in Ordnung zu bringen. Alfred glaubte, es versprechen zu dürfen. Einen Augenblick kam ihm der Einfall, dem Baron die ganze Wahrheit zu gestehen; aber bei dem ungeheuren Haß, der ihn von dieser kalten Stirne anstrahlte, mußte er fürchten, daß jener, der die Wahrheit vielleicht ahnen mochte, ihn dann den Gerichten überliefern würde; und so zog er es vor, zu schweigen.

Alfred fand die Herren, deren er bedurfte, ohne Mühe. Der eine war Adelens Verlobter, der andere ein junger Offizier, mit dem er in früherer Zeit manchen lustigen Tag genossen. Vor Sonnenuntergang in den Auen nächst der Donau, an einem für solche Zusammenkünfte gern gewählten Platz, stand er dem Baron gegenüber. Eine Ruhe, die er nach den Wirren der abgelaufenen Tage wie ein Glück empfand, empfing ihn. Als er den Lauf der Pistole auf sich gerichtet sah, während dreier Sekunden, die, von einer fernen Stimme abgezählt, gleich drei kalten Tropfen vom Abendhimmel auf den klingenden Boden fielen, dachte er einer unsäglich Geliebten, über deren verwesenden Leib die Wogen des Meeres rannen. Und als er auf dem Boden lag und etwas Dunkles über ihn sich beugte, ihn umschloß, ihn nicht mehr lassen wollte, fühlte er selig, daß er, ein Entsühnter, für sie, zu ihr ins Nichts entschwand, nach dem er sich lange gesehnt hatte.